Maritime Aktivitäten in der ausschließlichen Wirtschaftszone der deutschen Ost- und Nordsee ohne Fischerei


Menschliche Nutzung belastet marine Ökosysteme
Zusätzlich zu den traditionellen, flächendeckenden Nutzungen der Meere durch Fischerei und Schifffahrt finden weitere maritime Aktivitäten wie Energie- und Rohstoffgewinnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ, 12 bis 200 Seemeilen vor der Küste) der Nord- und Ostsee statt. Es finden sich im Meer kaum noch Bereiche, in denen keine menschliche Nutzung bereits erfolgt oder geplant ist. Selbst die Meeresschutzgebiete, die zusammen mehr als 30 Prozent der deutschen AWZ ausmachen, sind davon nicht ausgenommen.
Sand- und Kiesgewinnung hat in Nord- und Ostsee in den letzten 20 Jahren zugenommen
Die Bedeutung der Sand- und Kiesgewinnung in Nord- und Ostsee hat in den letzten 20 Jahren zugenommen. Dabei befinden sich nahezu alle Abbaufelder in der AWZ ganz oder überwiegend in Natura 2000-Gebieten. In der Nordsee wurde von 1970 bis 1983 lediglich sporadisch Sand und Kies gewonnen, seit 1984 ist eine kontinuierliche Förderung zu verzeichnen, die aber Schwankungen unterliegt. Spitzenwerte waren hierbei 12,3 Millionen Tonnen in 1994 und 33,9 Millionen Tonnen in 2009. Der Jahresdurchschnitt beläuft sich seit 2010 auf 1,4 Millionen Tonnen. In der Ostsee hingegen gab es einen geringeren Spitzenwert von 4,18 Millionen Tonnen in 2010. Die Jahresmengen schwankten zwischen 0,3 und 4 Millionen Tonnen.
Bei der Gewinnung von Sand und Kies wird der Meeresboden streifenweise abgesaugt. Neben dem Sediment werden dabei auch alle Bodenlebewesen mit angesaugt und abgetötet. Eine Wiederbesiedlung in der gleichen Artenzusammensetzung ist nur gewährleistet, wenn nach dem Abbau der ursprüngliche Sedimenttyp noch in ausreichender Schichtdicke vorhanden ist.
Seismische Untersuchungen können marine Säugetiere durch Unterwasserschall töten oder verletzen
Seismische Untersuchungen werden zur Erkundung der Lagerstätten von Kohlenwasserstoffen (Öl, Gas) oder zu Baugrunduntersuchungen für Offshore-Anlagen eingesetzt. Diese fanden bisher überwiegend in der Nordsee und bis zum Jahr 2002 regelmäßig auch in der deutschen AWZ statt. Die letzte Erkundung wurde im Jahr 2007 im Bereich des Natura 2000-Gebietes „Doggerbank“ durchgeführt. Die Untersuchungen grenzten dabei unmittelbar an beziehungsweise lagen zum Teil auch innerhalb des Schutzgebietes. Von dem insgesamt 2.300 Quadratkilometer großen, grenzüberschreitenden Untersuchungsgebiet befand sich fast ein Drittel (766 Quadratkilometer) in der deutschen Nordsee.
Bei der Lagerstättenerkundung wird alle 10 bis 15 Sekunden ein knallartiger Unterwasserschall ausgesendet. Derartige Schallimpulse erreichen Pegel, die unter anderem marine Säugetiere töten oder verletzen können und sie großräumig stören und vertreiben.
Nach Öl und Gas wird vor allem in der Nordsee gebohrt
Aktivitäten zur Öl- und Gas-Exploration fanden in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend in der Nordsee statt. Seit vielen Jahrzehnten werden dort Erlaubnisfelder vergeben; in der Ostsee erst seit 2009. Von 1964 bis 1997 wurden insgesamt 61 Explorationsbohrungen in der deutschen Nordsee durchgeführt, seit 2000 insgesamt 7. Die meisten Untersuchungen und Explorationsbohrungen waren allerdings nicht fündig oder die Lagerstätten sind bisher nicht wirtschaftlich nutzbar.
Die beiden einzigen aktuellen Offshore-Förderplattformen für Erdgas und Erdöl befinden sich in der deutschen Nordsee. So wird Erdgas in der AWZ seit dem Jahr 2000 auf der Förderplattform A6-A im Natura 2000-Gebiet „Doggerbank“ gefördert. Die einzige aktive Öl-Förderplattform „Middelplate“ befindet sich im „Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“. Zusätzlich wurde von 1984 bis 2000 in der Kieler Bucht Erdöl gefördert. Gas und Öl werden durch Pipelines an Land weitergeleitet.
Die zur Förderung notwendigen Bohrungen erfolgen von mobilen oder festen Plattformen unter Verwendung wasser- und ölbasierter Bohrspülungen. Die aufbereitete wasserbasierte Spülung sowie das Bohrklein werden bisher im Meer entsorgt. Die ölbasierte Bohrspülung sowie das entsprechende Bohrklein werden entsprechend der gesetzlichen Vorgaben komplett aufgefangen und an Land entsorgt.
Windenergienutzung ist der raumgreifendste Eingriff in Nord- und Ostsee
Die Offshore-Windenergienutzung entwickelt sich aktuell zu einem der raumgreifendsten menschlichen Eingriffe in unseren Meeren. Die Gesamtfläche der derzeit in Betrieb oder im Bau befindlichen sowie genehmigten und beantragten Offshore-Windparke beträgt (ohne die die Windparke umgebenden Befahrensverbotszonen für Schiffe) in der AWZ der Nordsee 5.494 Quadratkilometer (circa 19,2 Prozent der AWZ-Fläche) und in der AWZ der Ostsee 443 Quadratkilometer (circa 10 Prozent der AWZ-Fläche).
Jeder menschliche Eingriff belastet die marinen Arten und Biotope
All diese mannigfaltigen Eingriffe haben spezifische Einflüsse auf die marinen Ökosysteme. Sie können alleine oder im Zusammenwirken zu unerwünschten ökologischen Belastungen führen. Die genauen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sind für die Ökosysteme Nord- und Ostsee zwar noch nicht vollends erforscht, fest steht aber: Jeder menschliche Eingriff im Meer hinterlässt Spuren, die marine Arten und Biotope unterschiedlich belasten. Im Sinne des Vorsorgeprinzips sind Maßnahmen zu ergreifen, die die menschlichen Belastungen der Nord- und Ostsee reduzieren.