Ein intelligentes Bewässerungssystem für Stadtbäume in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock
Worum geht es?
Schutz, Erhalt und Förderung von Stadtbäumen als Beitrag zu Klimawandelanpassung und Biodiversität
Bäume sind in unseren Städten ein unverzichtbarer Bestandteil des urbanen Lebensraums. Sie erhöhen die Freiraumqualität und fördern den Natur- und Artenschutz in unseren Städten. Darüber hinaus leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der klimatischen Funktionen. Diese sollen in Zukunft erhalten bleiben, um letztlich auch in Wechselwirkung Trockenstress, Dauerschäden und ein Absterben der Bäume selbst zu verhindern.
Betrachtet man die kommenden Klimaveränderungen, fallen drei Problemschwerpunkte auf: häufigere Starkregenereignisse, stärkere Wind-/Sturmereignisse sowie längere und heißere Trockenperioden. 2021 wurde von Mitarbeitenden des Amtes für Stadtgrün in Rostock in Zusammenarbeit mit Unternehmen ein autarkes, intelligent gesteuertes und regenwassergespeistes Baumbewässerungssystem entwickelt, welches alle drei Schwerpunkte aufgreift und nachhaltig zur Verminderung der genannten Gefahren beiträgt. Gesunde Stadtbäume sind erheblich widerstandsfähiger gegen Trockenheit und Sturmereignisse und deutlich kostengünstiger in der Pflege. Ihr Erscheinungsbild sowie ihre biologischen und bioklimatischen Leistungen sind ungleich besser als bei geschädigten Bäumen und bilden daher eine klare Zukunftsoption insbesondere angesichts der notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen. Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Lösung liegen noch nicht vor und werden während der Projektlaufzeit dokumentiert.
In 2022 wurden zur Erprobung bisher acht Straßenbaumstandorte mit dem System ausgerüstet. Hierbei handelte es sich um Neupflanzungen. Ab 2023 sind weitere Standorte geplant. Der erweiterte Einsatz des Systems zur Bewässerung von Alt-/Bestandsbäumen ist aktuell für eine Parkanlage in Planung und wird für 2023 erwartet.
Einsatz von Baumbewässerungssystemen als intelligente, autarke und nachhaltige Lösung
Aufgabe des Systems ist es, anfallendes Regenwasser von Gehwegen und Dachflächen aufzufangen, zu speichern und bedarfsgerecht automatisch an die Bäume abzugeben. Das Regenwasser wird in Zisternen am Baumstandort eingeleitet, gefiltert und gespeichert. Bis zu 2.000 Liter können so aufgenommen werden.
Sensoren am Baumstandort messen permanent die Bodenfeuchte und geben bei starker Trockenheit und Erreichen eines kritischen Trockenheitswertes ein Signal. Eine intelligente Steuereinheit in der Zisterne gibt dann festgelegte Regenwassermengen frei, die über die angeschlossene Ringrigole im Wurzelbereich der Bäume verteilt werden. Auf diese Weise kann selbst bei starker Trockenheit mehrere Wochen die lebensnotwendige Wasserversorgung und damit der Vitalzustand der Stadtbäume sichergestellt werden. Über eine serverbasierte Cloud können Informationen zu durchgeführten Bewässerungen abgerufen und für ein qualifiziertes Monitoring verwendet werden. Die Nutzung von Echtzeit-Wetterdaten zur Optimierung des Bewässerungsmanagements ist geplant und soll in Zusammenarbeit mit der Universität Rostock durchgeführt werden.
Wie wurde es gemacht?
Ideen brauchen Netzwerke und Kommunikation
Neben zwei ideengebenden Mitarbeitenden des Amtes wurden zwei Unternehmen hinzugezogen. Die Fertigung der Zisternen aus Recyclingkunststoff inklusive Filter wurde mit einem Hersteller aus Schwerin vereinbart. Die Entwicklung der Steuereinheit in Kombination mit Sensorik sowie die Programmierung der App übernahm ein Technologieunternehmen aus Rostock. Der Einbau des Systems erfolgt durch Garten- und Landschaftsbauunternehmen. Das Monitoring wird in Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Mitarbeitenden des Amtes, dem Hersteller der Steuereinheit sowie der Universität Rostock im Lehrstuhl Wasserwirtschaft aufgebaut. Die Kommunikation des Vorhabens in politischen Gremien sorgte sehr schnell für die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, um weitere Systeme einbauen sowie technische Optimierungen vornehmen zu können.
Synthese technischer und planerischer Lösungen als Unterstützung zur Klimawandelanpassung
Das System musste so konzipiert werden, dass Steuerungselektronik, Bewässerungsgabe und Datenübermittlung ohne externe Stromquelle auskommen. Außerdem müssen Standorte mit naheliegenden Fußwegen gefunden werden, um über eine ausreichende Fläche mehrere Tausend Liter Regenwasser pro Jahr zu gewinnen (circa 10 Meter x 2 Meter). Beide Aufgaben konnten in der Entwicklung und Planung gelöst werden. Bei der Nutzung von Dachflächen großer Gebäude fällt deutlich mehr Regenwasser an; hier müssen jedoch die Voraussetzungen erfüllt sein, um nicht in Konflikt mit Entsorgungsgebühren zu kommen.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit wird erfüllt, weil kostenfreies Regenwasser im Kreislaufprinzip genutzt wird. Es wird weder Personal noch Technik benötigt, weil das System autark arbeitet. Der Natur wird kein kostbares Wasser in Dürrezeiten entzogen. Angesichts zu erwartender weiterer Bodenaustrocknung sowie sinkender Grundwasserneubildungen im Winter wird das System einen entscheidenden Beitrag zur Klimaresilienz leisten können. Durch den Einsatz einheimischer Baumarten wird außerdem die Biodiversität gefördert.
Förderung hilft – es geht aber auch ohne!
Die Entwicklung des Systems wurde als Förderprojekt beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Programm „Green Urban Labs II“ eingereicht. Das Vorhaben wurde jedoch abgelehnt. Das Amt entschied schließlich aufgrund des dringenden Bedarfs sowie des hohen Innovationscharakters die Entwicklung des Prototyps selbst zu finanzieren.
Da das System aktuell für Neupflanzungen im Straßenraum eingesetzt wird, ist aufgrund der damit verbundenen Baukosten (Erdarbeiten, Muldenrinne, Ablauf – Kostenanteil > 60 Prozent) mit Kosten von bis zu acht Tausend Euro pro Baumstandort zu rechnen. Würde das System vorausblickend im Rahmen stadtplanerischer Vorhaben eingesetzt werden, ließen sich über Verteilung der Baukosten für ohnehin auszuführende Bauleistungen die Kosten deutlich reduzieren.