Naturverträgliche Aktivitätslenkung durch Digitalisierung
Freizeitaktivitäten wie Wandern, Mountainbiking, Reiten, Wassersport oder Skifahren sind für die Gesundheit, die Erholung und das Wohlbefinden vieler Menschen essentiell. Allerdings können Outdoor-Aktive – meist unbeabsichtigt – einen negativen Einfluss auf sensible Ökosysteme und Arten haben, wenn Naturschutzregeln, wie Wegegebote und -sperrungen, nicht berücksichtigt werden oder sich Besucherströme zu stark verdichten. Daher zielt eine naturverträgliche Aktivitätslenkung darauf ab, die Bedürfnisse von Freizeitaktiven und Natur in Einklang zu bringen.
Anlass des nun veröffentlichten Gutachtens ist die Rolle der Digitalisierung als „Game Changer“: Social Media inspiriert ein Massenpublikum zu neuen Aktivitäten und Reisezielen; Touren werden primär digital geplant; Smartphone-Apps, Online-Tourenplaner und Kartendienste erlauben das Erstellen und Teilen nutzergenerierter Touren und unterstützen bei der Navigation im Gelände. Verhaltensregeln zum Schutz von Arten und Ökosystemen bleiben dabei oft unberücksichtigt. Dafür gibt es verschiedene Gründe, unter anderem liegen die Verhaltensregeln in Schutzgebieten nicht flächendeckend, maschinenlesbar und zu geeigneten Lizenzbedingungen vor, was ihre Integration in digitale Kanäle erschwert. Auch stehen in digitalen Medien insbesondere attraktive Inhalte im Vordergrund, anstatt die Kommunikation von mitunter komplexen Regeln und ihren Begründungen.
Das Bewusstsein für die Bedeutung digitaler Aktivitätslenkung ist in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Vor allem Großschutzgebiete sind mit eigenen Profilen auf Outdoor-Portalen und Social Media aktiv oder beschäftigen „Digital Ranger“, die zum Beispiel die in OpenStreetMap (OSM) hinterlegten Daten ergänzen oder korrigieren. Dies ist wichtig, da die meisten Routen-Apps unter anderem OSM als Datengrundlage verwenden. Zudem hat der Verein Digitize the Planet (DtP) e.V. ein zentrales Datenportal entwickelt, über das Naturschutzverwaltungen freizeitrelevante Informationen zur Nachnutzung bereitstellen.
Trotz dieser Entwicklungen wird das Potential der Digitalisierung noch nicht voll ausgeschöpft. Die Autor*innen des Gutachtens empfehlen unter anderem eine,
- verstärkte digitale Datenbereitstellung von freizeitrelevanten Ge- und Verboten in Schutzgebieten;
- stärkere Integration dieser Daten in Tools zur weiteren Aufbereitung und Verfügbarmachung an die Outdoor-Community, bspw. über die Digitize-Plattform, OSM sowie durch Eintragungen in Google Maps;
- höhere Bereitschaft seitens Routen-Apps und Kartendiensten, verfügbare Naturschutzinformationen zu integrieren;
- Unterstützung insbesondere kleinerer Schutzgebiete und Unterer Naturschutzbehörden durch Weiterbildungen und Informationsmaterial sowie durch überregional tätige Digital Ranger und einer zentralen Servicestelle;
- stärkere Erhebung statistischer Daten zum Besuchermonitoring sowie sensorbasierter Echtzeitdaten für dynamische Lenkungsmaßnahmen und Prognosen, ggf. unter Nutzung Künstlicher Intelligenz;
- Entwicklung allgemeingültiger Verhaltensregeln und einheitlichen, klaren und positiven Botschaften und Darstellungsweisen, ebenso wie Begründungen von Naturschutzregeln, um die Akzeptanz seitens Freizeitaktiver zu fördern;
- „Digital First“-Mentalität, bei der lenkungsrelevante Informationen primär digital anstatt analog erfasst und gepflegt werden. Gleichzeitig bleiben analoge Beschilderungen unersetzlich für eine sichere Orientierung und Lenkungswirkung im Gelände.
Das Sachverständigengutachten wurde von der BTE – Tourismus- und Regionalberatung, dem Verein Digitize the Planet sowie der Arbeitsgruppe Sportökologie von der Universität Bayreuth erstellt und enthält die Ergebnisse des BfN-Fachforums, das im November 2023 zum Thema „Digitalisierung und Aktivitätslenkung in Natur und Landschaft“ stattgefunden hat.