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Bundesamt für Naturschutz

Vanellus vanellus - Kiebitz

Artengruppierung
Vögel
Status Rote Liste Deutschland
(Ryslavy et al. 2020): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bird Life International, 2021): VU (gefährdet)

Beschreibung

Beim Kiebitz handelt es sich um eine mittelgroße Watvogelart mit fast unverwechselbarer, schwarz-weißer Färbung. Bei näherer Betrachtung ist auf den mittleren Deckfedern ein grünlich-violetter, metallisch wirkender Glanz erkennbar. Der Bauch ist weiß, die Beine rötlich. Charakteristisch ist eine lange, dünne Federholle am Hinterkopf, die bei den Männchen besonders lang ausgeprägt ist. Die Flügelspannweite beträgt 67-72 cm. Der Flug erfolgt gemächlich mit lockeren Flügelschlägen. Besonders auffällig sind dabei die breit gerundeten Flügelspitzen. Auch der weiße Schwanz mit breitem, schwarzem Subterminalband ist markant und hebt sich deutlich von der dunklen Oberseite ab. Im Jugend- und Schlichtkleid sind Kiebitze weniger kontrastreich gefärbt, auch die Federholle ist deutlich kürzer. Die sehr stimmfreudigen Vögel äußern im Balzflug ihr namensgebendes „kiju-wit“ (Gejl 2019, Svensson 2023).

Verbreitung

Kiebitze sind von der Iberischen Halbinsel und den Britischen Inseln ostwärts über weite Teile der Paläarktis bis an die Pazifikküste verbreitet. Während die Vorkommen in Nordskandinavien und im Nordwesten Russlands die nördliche Verbreitungsgrenze bilden, befinden sich die südlichsten Vorkommen in Spanien, der Türkei und im Iran (Gedeon et al. 2014).

Die höchsten Bestände wies der Kiebitz in Deutschland vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Durch die Trockenlegung von Feuchtgebieten und Intensivierungen der Landwirtschaft kam es bereits ab 1900 zu ersten Bestandsrückgängen. Die weitere Intensivierung führte besonders ab den 1970er Jahren zu starken Rückgängen, vor allem im Süden und Osten Deutschlands. In den zurückliegenden Jahrzehnten setzte sich der Bestandseinbruch immer weiter fort, sodass inzwischen an vielen Stellen Verbreitungslücken sichtbar werden.

In Deutschland liegt der Vorkommensschwerpunkt des Kiebitzes weiterhin im Nordwestdeutschen Tiefland. Die höchsten Dichten werden an der Westküste Schleswig-Holsteins erreicht. Im Nordostdeutschen Tiefland ist die Art deutlich seltener und erreicht wesentlich geringere Dichten. Die Mittelgebirgsregion ist nur fragmentarisch besiedelt. Schwerpunkte bilden hier das Rhein-Main-Gebiet, Wetterau und Hessisches Ried, die Oberrheinebene sowie Main- und Mittelfranken. Weitgehend geschlossen besiedelt ist das Alpenvorland. Die höchsten Dichten werden hier in den niederbayerischen Isarauen sowie der Gäubodenlandschaft bei Straubing erreicht (Gedeon et al. 2014).

Lebensraum

Brutgebiet

Kiebitze bevorzugen weitgehend offene Landschaften. Flächen mit fehlender und kurzer Vegetation, vorwiegend in offenen Niederungslandschaften, dienen als Bruthabitate. Die genutzten Biotope können dabei jedoch sehr unterschiedlich sein. Die Spanne reicht von Salzwiesen über kurzrasige, nasse bis trockene Wiesen und Weiden, Äcker und Hochmoore bis zu Heideflächen. Als Sekundärhabitate werden auch Spülflächen, Flugplätze sowie Ruderalflächen angenommen. Von großer Bedeutung sind eine geringe Vegetationshöhe und -dichte sowie weitgehend gehölzarme Flächen (Südbeck et al. 2005, Gedeon et al. 2014).

Zugweg und Überwinterungsgebiet

Die in Deutschland brütenden Kiebitze sind überwiegend Kurzstreckenzieher. In milden Wintern harren jedoch viele Vögel bis zu Schnee- und Kälteeinbrüchen aus. Der Abzug erfolgt ab Anfang Juni, bei erfolglosen Paaren teils noch früher, in westlicher bis südwestlicher Richtung. Das Überwinterungsgebiet reicht von den Niederlanden und den Britischen Inseln über Frankreich, Spanien und Italien teilweise bis nach Nordwest-Afrika. Die Überwinterungsgebiete verschieben sich dabei entsprechend der Lage der Brutgebiete. Je weiter nördlich und östlich sich das Brutgebiet befindet, desto weiter nördlich und östlich findet auch die Überwinterung statt (Bairlein et al. 2014).

Fortpflanzung/Biologie

Die Geschlechtsreife erreichen Kiebitze bereits im ersten Lebensjahr, viele brüten jedoch erst im 3. Kalenderjahr. Die Art geht monogame Saisonehen ein, jedoch tritt auch Polygamie auf. Männchen kehren oft jahrelang ins gleiche Territorium zurück. Das Nest wird am Boden gewöhnlich an einer leicht erhöhten, kahlen bis spärlich bewachsenen und trockenen Stellen angelegt. Es besteht aus einer mit trockenem Pflanzenmaterial aus der direkten Umgebung ausgelegten Mulde. Neben Einzelbruten kommt es gerne auch zur Bildung lockerer Kolonien, die den Vorteil der gemeinschaftlichen Verteidigung bieten. Es werden 1-2 Jahresbruten durchgeführt, mehrere Nachbruten sind jedoch mit Standort- und Habitatwechsel möglich. Die Ablage der meist 4 Eier erfolgt ab Mitte März bis Juni, für die Erstbrut meist Anfang/Mitte April. Die Brutdauer beträgt 26-29 Tage. Beide Partner brüten und führen die in Deutschland frühestens Mitte April schlüpfenden Jungvögel. Zunächst halten sich diese in der Nestumgebung auf, im Kulturland erfolgt jedoch meist ein Abwandern in günstigere Aufzuchtgebiete. Mit 35-40 Tagen werden die Jungvögel flügge (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012, Gejl 2019).

Gefährdung

Während Trockenlegungen und die Zerstörung von Feuchtgebieten bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine große Gefährdung für den Kiebitz darstellen, sind es heute zusätzlich Umstellungen auf Wintergetreide, eine zunehmende Mechanisierung sowie der massive Einsatz von Düngemitteln und Umweltchemikalien und ein damit verbundener Verlust der Insektennahrung. Der Rückgang extensiver Weidenutzung und eine Vorverlegung der Mahd stellen weitere Gefährdungen dar. Das Fehlen geeigneter Aufzuchtsplätze, u.a. aufgrund dichter Vegetation, wird als entscheidender Faktor für den Bestandseinbruch gesehen. Negative Auswirkungen ergeben sich zudem durch Viehvertritt und Störungen im Nestbereich, z.B. durch Freizeitaktivitäten. In Kältewintern und durch Prädation kann es zu natürlichen Verlusten kommen (Bauer et al. 2012). Windenergieanlagen können eine Meidewirkung auslösen. Verluste durch Kollisionsopfer sind dokumentiert, auch wenn örtliche Flugbewegungen von Kiebitzen wohl überwiegend unterhalb der Rotorhöhe erfolgen (Langgemach & Dürr 2023). Der Kiebitz wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.

Schutz

Durch eine Extensivierung der Landwirtschaft, Wiedervernässungen sowie eine Reduktion des Einsatzes von Düngemitteln und Bioziden können Kiebitze ähnlich wie viele andere Offenlandarten geschützt werden. Bei Mehrfachmahd sollten die Termine spät und gestaffelt erfolgen. Störquellen in Brutgebieten müssen vermieden werden (Bauer et al. 2012). Diesjährige Selbstbegrünungsbrachen („Feldvogelinseln“) erhöhen sowohl den Schlupf- als auch den Aufzuchterfolg deutlich. Über direkten Gelegeschutz lässt sich der Schlupferfolg durch die Verhinderung von Gelegeverlusten zusätzlich effektiv verbessern (Fehn et al. 2019).

Autor*in

Texte: Christopher König

Datenbereitstellung: Bettina Gerlach

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