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Bundesamt für Naturschutz

Sterna hirundo - Flussseeschwalbe

Geschützt nach
Anhang I Vogelschutzrichtlinie
Artengruppierung
Vögel
Status Rote Liste Deutschland
(Ryslavy et al. 2020): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bird Life International, 2021): LC (Nicht gefährdet)

Beschreibung

Sehr ähnlich der Küstenseeschwalbe, unterscheiden sich Flussseeschwalben vor allem anhand struktureller Merkmale. Mit einer Flügelspannweite von 70-80 cm sind sie etwas größer, weisen einen längeren Schnabel, Kopf und Beine sowie etwas breitere Flügel auf. Im Prachtkleid sind der orangerote Schnabel mit schwarzer Spitze und die weniger langen Schwanzspieße gute Unterscheidungsmerkmale. Jungvögel der Flussseeschwalbe weisen im Vergleich zu jungen Küstenseeschwalben einen deutlich dunkleren Armflügel-Vorderrand sowie ein dunkles Armschwingenband auf (Svensson 2023).

Verbreitung

Flussseeschwalben sind auf der Nordhalbkugel weit verbreitet. Ihr Brutareal umfasst Teile Amerikas, Afrikas, Europas und Asiens. Die europäischen Vorkommen verteilen sich dabei lückenhaft über den gesamten Kontinent und erstrecken sich ostwärts durch weite Teile Asiens bis an die Pazifikküste. Besiedelt werden sowohl Küstenlebensräume als auch binnenländische Feuchtgebiete (Mendel et al. 2008, Gedeon et al. 2014).

In Deutschland konzentrieren sich etwa zwei Drittel der bundesweiten Brutbestände im Wattenmeer. Die mit rund 2000 Paaren größte Kolonie Mitteleuropas befindet sich im Neufelderkoog an der Elbmündung, weitere bedeutende Kolonien existieren auf verschiedenen Inseln und Halligen entlang der Nordseeküste. Die größten Kolonien an der Ostsee befinden sich bei Zingst und nahe der Schleimündung. Im Binnenland konzentrieren sich die Vorkommen auf das Nordostdeutsche Tiefland mit Vorkommen von der Holsteinischen Schweiz über die Mecklenburger Seenplatte und die Uckermark bis an die Oder. Vom Elbe-Havel-Winkel elbaufwärts bestehen weitere Vorkommen, ebenso an Bergbaurestseen in der Lausitz. In weiteren Teilen des deutschen Binnenlandes gibt es nur wenige isolierte Vorkommen, z.B. an der Weser südlich von Bremen, an Ems und Niederrhein. In Süddeutschland befinden sich Kolonien am Oberrhein sowie in Flusstälern und an Seen im Alpenvorland. Die Bestände unterliegen abhängig von Nahrungsverfügbarkeit und Witterungsverhältnissen von Jahr zu Jahr starken Schwankungen. Außerdem sind großräumige Umsiedlungen möglich (Mendel et al. 2008, Gedeon et al. 2014).

Lebensraum

Brutgebiet

Flussseeschwalben brüten an Stellen mit guter Übersicht, sind jedoch gegenüber höherer Vegetation toleranter als Küstenseeschwalben. An der Küste dienen in Deutschland Primärdünengebiete, Strandwälle, Nehrungen und Salzwiesen mit kurzer Vegetation als Bruthabitate. Oft befinden sich die Kolonien dabei nah an der Hochwasserlinie. Aufgrund geringeren Prädationsdrucks werden gern Inseln besiedelt. Die Nahrungsgebiete liegen im Wattenmeer oft mehr als 10 km von den Brutplätzen entfernt. In Flussniederungen im Binnenland wurden ursprünglich überwiegend Sand- und Kiesbänke genutzt. In Ermangelung solcher Habitate befinden sich viele Binnenlandvorkommen heute jedoch auf künstlichen Brutinseln oder Nistflößen (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008).

Zugweg und Überwinterungsgebiet

Die Flussseeschwalben Mitteleuropas sind Langstreckenzieher, die zur Überwinterung vor allem die Küste Westafrikas aufsuchen. Auf ihrem Weg folgen sie im Binnenland größeren Flüssen, um anschließend den Küsten zu folgen. Der Wegzug der Altvögel beginnt bereits Ende Juli, die Jungvögel folgen im August. Der weitgehend vollständige Abzug aus dem Wattenmeer erfolgt bis Ende September, während in diesem Monat bereits die ersten Vögel das Winterquartier erreichen.

Einjährige Flussseeschwalben übersommern im Überwinterungsgebiet. Der Heimzug erfolgt zwischen März und Mai, die Ankunft an den deutschen Brutplätzen mit Koloniebesetzung ab April (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008).

Fortpflanzung/Biologie

Die erste Brut erfolgt bei Flussseeschwalben meist mit drei Jahren. Es werden monogame Saisonehen eingegangen, aufgrund von ausgeprägter Nistplatztreue ergibt sich jedoch oft Partnertreue. Das Nest wird am Boden auf Kies oder Sand oft in der Nähe auffälliger Strukturen angelegt. Häufig sind Mischkolonien mit Küsten- oder Brandseeschwalben. Es wird eine Jahresbrut durchgeführt, bei der die Eiablage der 2-3 Eier vorwiegend im Mai erfolgt. Bis zu zwei Nachgelege sind jedoch bis Anfang Juli möglich. Die Brutdauer beträgt 20-26 Tage. Beide Eltern brüten und nach dem Schlupf hudert das Weibchen, während das Männchen die Nahrungsversorgung übernimmt. Später füttern beide Partner. Die Küken sind nach 23-27 Tagen flugfähig und werden anschließend noch sechs Wochen gefüttert. Dabei lernen die Jungvögel den Fischfang offenbar durch Nachahmung. Letzte Jungvögel später Bruten werden mitunter erst Ende August flügge (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008).

Gefährdung

Gewässerausbau und Begradigungen sowie Kiesabbau an Fließgewässern gefährden die Vorkommen im Binnenland. An der Küste spielt ebenfalls Lebensraumverlust durch Überbauung eine Rolle, darüber hinaus Störungen durch Bauarbeiten, Tourismus und Freizeitaktivitäten. Natürlicherweise sind Brutplätze durch Sturmfluten, Überflutungen an Fließgewässern, Prädation und Sukzession gefährdet (Mendel et al. 2008, Bauer et al. 2012). Da Flussseeschwalben Brutkolonien mit häufig sehr nah beieinander liegenden Nestern bilden, können Krankheitsausbrüche wie durch die hochpathogene aviäre Influenza (HPAI) durch schnelle Ansteckung zu hohen Verlusten führen (Meyer & Sudmann 2023). Nahrungsmangel, z.B. durch fehlendes Jungfischaufkommen, und Nistplatzkonkurrenz stellen eine weitere Gefährdung dar. Sowohl in den Brut- als auch Überwinterungsgebieten wirkt sich eine Belastung der Gewässer mit Bioziden, Öl und Abwässern negativ aus. Über die Fischnahrung können sich Umweltgifte in den Seeschwalben anreichern (Mendel et al. 2008, Bauer et al. 2012). Ein zusätzliches Mortalitätsrisiko durch Windenergieanlagen kann sich bei der Flussseeschwalbe negativ auf die Population auswirken (Langgemach & Dürr 2023). Die Flussseeschwalbe wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.

Schutz

Die Wiederherstellung der natürlichen Dynamik von Fließgewässern und Küste kann sich positiv auf das Angebot geeigneter Lebensräume der Flussseeschwalbe auswirken. Brutplätze sollten vor Prädatoren und fortgeschrittener Sukzession geschützt werden. Dies kann u.a. durch hochwassersichere künstliche Inseln und Nistflöße erfolgen. Um Störungen der Kolonien zu vermeiden, ist Besucherlenkung und Öffentlichkeitsarbeit wichtig. Die Reduktion von Gewässerverschmutzungen und die Förderung kleinfischreicher Gewässer wirken sich positiv auf das Nahrungsangebot aus (Bauer et al. 2012).

Autor*in

Texte: Christopher König

Datenbereitstellung: Bettina Gerlach

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