Technikfolgenabschätzung für Gentechnik
Beschreibung
Hintergrund
In der Europäischen Union ist für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) und daraus hergestellter Produkte in die Umwelt eine Risikobewertung vorgeschrieben. Allerdings müssen im Rahmen der derzeitigen Risikobewertung nicht alle Arten von Auswirkungen der GVO systematisch untersucht werden. So werden zum Beispiel beim Import von GVO mögliche Umweltschäden im Anbauland bisher nicht berücksichtigt. Eine umfassendere Bewertung im Sinne einer Technikfolgenabschätzung könnte neben Auswirkungen im Anbauland auch Umwelt- und Gesundheitsaspekte einschließen, die über den Geltungsbereich der gesetzlichen Risikobewertungsrichtlinien hinausgehen, sowie gesellschaftliche Auswirkungen und ethische Erwägungen berücksichtigen.
Projekt
Nach dem derzeitigen EU-Rechtsrahmen ist für die Marktzulassung von GVO eine Risikobewertung erforderlich, bei der die Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ermittelt werden. Allgemeinere gesellschaftliche Fragen fallen nicht darunter, ebenso wenig wie – im Falle von Importen – Gesundheits- oder Umweltrisiken im Anbauland. Die Mitgliedstaaten können zwar auf der Ebene der politischen Entscheidungen Auswirkungen berücksichtigen, die nicht im Rahmen der erforderlichen Risikobewertung erfasst wurden, aber es gibt dafür keine Vorgaben oder etablierte Methoden.
Bei politischen Entscheidungen müssen Bewertungen und Argumente transparent sein. Während es auf parlamentarischer Ebene und im akademischen Bereich etablierte Konzepte und Methoden der Technikfolgenabschätzung für eine umfassende wissenschaftliche Politikberatung gibt, stehen Instrumente für eine systematische und transparente Einzelfallprüfung dieser Aspekte innerhalb der Verfahren für die GVO-Zulassung noch nicht zur Verfügung. Mit der Entwicklung neuer Arten von GVO werden Überlegungen zu umfassenderer Technikfolgenabschätzung zu GVO immer dringlicher.
Angesichts der politischen Relevanz und des anhaltenden weltweiten Interesses, Technikfolgen umfassend und explizit zu bewerten, hat das Projekt die Voraussetzungen für die Durchführung einer systematischen, transparenten und umfassenden Einzelfallbewertung von GVO untersucht, die mit dem bestehenden Rechtsrahmen vereinbar und kurzfristig durchführbar ist. Ein zentrales Resultat des Projektes ist, dass die Vereinbarkeit von wissenschaftlich fundierter Bewertung mit schneller Durchführung der Bewertung ein zweistufiges Verfahren erfordert. Im ersten Schritt sollen mögliche Auswirkungen entsprechend dem Stand des Wissens, aber auch Wissenslücken ermittelt werden. Dafür wurde im Projekt ein Katalog relevanter Fragen erstellt. Die Fragen – etwa zu Taxonomie, Art der gentechnischen Veränderung, Anbaugebiet und Produktionskontext – helfen, die Bandbreite der zu berücksichtigen Dimensionen eines GVO auch bezüglich des aufnehmenden Ökosystems und der gesellschaftlichen Zusammenhänge in den Blick zu nehmen. Der nächste Schritt besteht darin, das vorhandene Wissen zu berücksichtigen – dafür wäre eine leicht navigierbare und regelmäßig gepflegte Datenbank hilfreich. Die Schließung der festgestellten Wissenslücken mit interdisziplinärer Methodik wäre jeweils Gegenstand einer gründlicheren Untersuchung in einem zweiten Schritt.
Ausblick
Das Projekt ist abgeschlossen, und die Resultate werden in Fachzeitschriften veröffentlicht (in Vorbereitung). Im nächsten Schritt sollen eine aktualisierbare Literatursammlung und ein dazugehöriger, auf dem im Projekt entwickelter Fragenkatalog aufbauender Leitfaden erstellt werden. So soll der Kenntnisstand zu Auswirkungen konkreter GVO systematisch und transparent erfasst werden können. Zusätzlich wird ein partizipatives Technikfolgenabschätzungsformat entwickelt, um auch nicht-akademische Arten von Wissen berücksichtigen zu können. Gerade im internationalen Diskurs spielen globale Ungleichheiten der Wissensproduktion sowie der Status von lokalem Wissen und Erfahrungswissen eine große Rolle, z. B. auf Ebene der Biodiversitätskonvention.