Otis tarda - Großtrappe
Beschreibung
Großtrappen sind große, kräftig gebaute Laufvögel mit langen Beinen und Hälsen. Sie gehören zu den schwersten flugfähigen Vögeln und der Größendimorphismus zwischen beiden Geschlechtern ist so stark ausgeprägt wie bei keiner anderen Vogelart weltweit. Männchen können bei einer Körperlänge von bis zu 105 cm und bis 260 cm Flügelspannweite ein Gewicht von 6-18 kg erreichen. Mit nur maximal 85 cm Körperlänge, bis 190 cm Flügelspannweite und einem Gewicht von 3,5-5 kg bleiben die Weibchen hingegen deutlich kleiner. Beide Geschlechter weisen eine rötlich getönte Brust und einen grauen Kopf auf. Das Gefieder der Oberseite variiert in Brauntönen mit schwarzbraunen Querbinden. Die Männchen weisen an den Kinnseiten zur Brutzeit borstenartige Federn auf, die zur Balz genutzt werden. Bei der majestätisch wirkenden Flugweise fallen breite, weiße Felder der Flügeldecken auf, die zu schwarzen Armschwingen kontrastieren.
Während Jungvögel in den ersten Tagen von Insekten abhängig sind, ernähren sich Altvögel überwiegend von Pflanzenteilen von Wildkräutern sowie Sämereien, erbeuten opportunistisch jedoch auch Wirbeltiere. Raps bildet im Herbst und Winter eine wichtige Nahrungsquelle (Alonso 2009, Köhler 2019, Svensson 2023).
Verbreitung
Großtrappen brüten – heute weitgehend verinselt – von Nordmarokko und der Iberischen Halbinsel über Teile Mittel- und Osteuropas, die Türkei und den Iran bis in die Steppen Südrusslands, die Mongolei und China. Die Art bewohnt überwiegend Steppen und offene steppenartige Kulturlandschaften.
Der deutsche Brutbestand umfasste um 1940 noch mehr als 4000 Individuen, brach Anfang der 1970er Jahre jedoch auf etwa 1000 Vögel zusammen, um Ende der 1990er Jahre einen historischen Tiefstand von 57 Exemplaren zu erreichen. Dank intensiver Schutzbemühungen und milder Winter stieg der Gesamtbestand inzwischen wieder auf mehr als 300 Individuen. Dennoch ist heute weniger als 1 % des ursprünglichen Verbreitungsgebiets besiedelt. (Köhler 2019). Die Vorkommen verteilen sich auf lediglich drei Gebiete, bei denen es sich ausschließlich um durch landwirtschaftliche Nutzung entstandene Sekundärhabitate handelt: das Havelländische Luch und die Belziger Landschaftswiesen im Westen Brandenburgs sowie das Fiener Bruch direkt angrenzend in Sachsen-Anhalt. Nicht brütende Individuen werden selten auch abseits dieser Gebiete festgestellt (Gedeon et al. 2014).
Lebensraum
Großtrappen kommen als ehemalige Steppenvögel heute in flachen Niederungslandschaften großer Urstromtäler vor, die durch ausgedehnte, weitgehend gehölzfreie Grünland- und Ackerflächen geprägt und nur wenig durch Straßen und Freileitungen zerschnitten sind. Die Vorkommen sind daher von extensiver Bewirtschaftung abhängig. In den gegenwärtigen Einstandsgebieten überwiegt extensives Grünland entwässerter Niedermoorbereiche (Gedeon et al. 2014, Köhler 2019).
Bei Großtrappen handelt es sich um brutgebietstreue Stand- und Strichvögel. Zwischen den Einstandsgebieten Deutschlands besteht regelmäßiger Austausch. Anhaltende Schneelagen können im Winter zu Dismigration führen (Köhler 2019).
Fortpflanzung/Biologie
Die Geschlechtsreife wird bei Weibchen mit zwei Jahren erreicht, bei den Männchen hingegen nicht vor dem fünften Lebensjahr. Die spektakuläre Gruppenbalz erfolgt vor allem in den Morgen- und Abendstunden von Anfang März bis Mitte Juni, mit einem Höhepunkt zwischen Mitte April und Anfang Mai, an traditionellen Balzplätzen. Dabei kehren die Männchen die Unterseite ihres leuchtend weißen Flügel- und Schwanzgefieders nach außen, blasen den Kehlsack auf und stellen die Bartfedern auf. In Deutschland befinden sich die Balzplätze zentral in den Einstandsgebieten sowohl auf extensivem Grünland als auch auf Ackerstandorten. Eine Partnerbindung findet nicht statt, einzelne Männchen folgen den Weibchen jedoch zu den teils viele Kilometer entfernten Brutplätzen, um bei Gelegeverlusten wiederholt zu kopulieren (Köhler 2019).
Es wird eine Jahresbrut durchgeführt, Nachgelege kommen vor. Das Nest wird am Boden vornehmlich auf Äckern und im Grünland in Form einer flachen Mulde mit geringer Nistmaterialausstattung angelegt. Die 1-3 Eier werden Mitte April bis Anfang Juni gelegt und allein durch das Weibchen etwa 25 Tage bebrütet. Die Jungvögel sind Nestflüchter und werden nach dem Schlupf vom Weibchen geführt und versorgt. Die vollständig selbständige Nahrungsaufnahme erfolgt nach etwa zwei Wochen. Mit etwa 5 Wochen sind die Jungvögel flügge, verbleiben jedoch i.d.R. bis zum Ende des ersten Kalenderjahres beim Weibchen. Oft erfolgt im Herbst auch ein Zusammenschluss mit anderen Familien, teilweise bis in die nächste Brutsaison (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012).
Gefährdung
Die starken Bestandsrückgänge der Großtrappe in Mitteleuropa sind vor allem durch zunehmende Fragmentierung der Brutgebiete begründet. Hinzu kommen der Verlust störungsarmer Offenlandhabitate, die Intensivierung der Landwirtschaft sowie der Einsatz von Pestiziden, die negative Auswirkungen auf die Bestandsentwicklung haben. Ein dichteres Wachstum der Kulturpflanzen kann zu ungünstigem Mikroklima für die Jungvögel und einem verringerten Insektenangebot führen. Zu den besonders kritischen Gefährdungsursachen für die deutsche Metapopulation gehört der Verlust von Gelegen oder Jungvögeln, u.a. durch Prädation (Bauer et al. 2012, Köhler 2019). Obwohl Großtrappen auf Freileitungen schon auf Entfernungen von über 1000 m mit Richtungsänderungen reagieren, sind Verluste durch Freileitungen international die Hauptursache für Altvogelverluste. Da vor allem Flüge über größere Distanzen auch in größerer Höhe erfolgen, ist mit einem Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen zu rechnen (Langgemach & Dürr 2023). Die Großtrappe wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.
Schutz
Wichtige Maßnahmen stellen der Schutz und die Erhaltung extensiv genutzter Kulturlandflächen zur Gewährleistung ausreichend insektenreicher Ackerbrachen in der Nähe potenzieller Brutplätze der Großtrappe dar. Der ausgedehnte Offenlandcharakter muss erhalten oder wiederhergestellt werden. Eine hohe Anbauvielfalt bei Vermeidung des Anbaus von Mais und Sonnenblumen und bevorzugtem Anbau von Raps, Luzerne und Kohl, kann sich förderlich auswirken. Störungen sollten vermieden, Bewirtschaftungstermine koordiniert werden. Das Nahrungsangebot kann durch Reduktion oder Verzicht auf Dünger und Pflanzenschutzmittel erhöht werden. Auch ein Nistplatzmanagement zählt zu den Schutzmaßnahmen für die Großtrappe (Bauer et al. 2012, Köhler 2019).