Sternula albifrons - Zwergseeschwalbe
Beschreibung
Bei der Zwergseeschwalbe handelt es sich um eine sehr kleine, schmalflügelige Seeschwalbenart, die mit einer Flügelspannweite von 47-52 cm nur etwa halb so groß ist wie die Flussseeschwalbe. Im Prachtkleid weisen die überwiegend hellgrau gefärbten Vögel eine schwarze Kappe mit weißer Stirn auf. Ein schwarzer Zügelstreif verläuft von der Schnabelbasis über das Auge bis zur Kappe. Der Schnabel ist gelb und weist eine schwarze Spitze auf, die Beine sind orangegelb. Die äußersten beiden Handschwingen sind grauschwarz, Bürzel und Oberschwanz weißlich. Im Schlichtkleid färbt sich der Schnabel dunkel, während der Zügel weiß und der vordere Bereich der Kappe grau meliert wird. Die Vorderkante der Oberflügel zeigt dann einen dunklen Streifen. Im Jugendkleid sind Mantel und Schultern dunkel geschuppt. Sehr auffällig ist die Flugweise der Zwergseeschwalbe mit sehr schnellen Flügelschlägen. Bei der Nahrungssuche rütteln Zwergseeschwalben oft längere Zeit niedrig über der Wasseroberfläche. Bei Balz und Alarm werden schnelle, schnatternde Rufe geäußert (Svensson 2023).
Die früher als Unterart behandelten Brutvögel am Roten Meer und Arabischen Meer werden inzwischen als eigene Art Orientseeschwalbe (Sternula saundersi) betrachtet (Gochfeld et al. 2020).
Verbreitung
Zwergseeschwalben der Nominatform brüten vom westlichen Europa ostwärts bis nach Afghanistan. In Europa ist das Brutgebiet stark fragmentiert und reicht von Finnland im Norden bis in den Mittelmeerraum im Süden. In weiteren Unterarten werden jedoch auch Teile Westafrikas, Ostasiens und Australiens von der Zwergseeschwalbe besiedelt.
In Deutschland brüten Zwergseeschwalben fast ausschließlich auf vorgelagerten Inseln an den Küsten von Nord- und Ostsee. Viele Vorkommen sind durch starke Bestandsschwankungen und Umsiedlungen von Kolonien gekennzeichnet. Den Schwerpunkt der Verbreitung in Deutschland bilden die Inseln der Wattenmeerküste, Bruten am Festland sind eher sporadisch. An der deutschen Ostseeküste gibt es Kolonien u.a. in der Lübecker Bucht und im Barther Bodden bei Zingst. Größere Ansiedlungen finden sich außerdem im Bereich der Schleimündung, in der Hohwachter Bucht und auf Fehmarn sowie auf der Insel Langenwerder, in der Wismarbucht und auf dem Bessin/Hiddensee. Vorkommen im Binnenland sind in Deutschland selten. Hier sind kleine Vorkommen an Elbe und Oder hervorzuheben (Gedeon et al. 2014).
Lebensraum
Brutgebiet
Besiedelt werden sandige Küsten, binnenländische Feuchtgebiete und naturnahe Flüsse. Als Bruthabitate dienen in Deutschland fast ausschließlich dynamische Küstenlebensräume. Es werden vor allem neu entstandene Habitate im ersten Sukzessionsstadium besiedelt. Dazu zählen vegetationsarme Muschelschill- oder Kiesflächen auf Stränden, Primärdünengebiete, Strandwälle, Sände und Nehrungshaken. Im Binnenland werden vorwiegend Sekundärlebensräume genutzt. Diese umfassen Spülflächen und Kiesgruben, Überflutungswiesen, teilweise sogar Pionierlebensräume auf Großbaustellen und Äcker (Südbeck et al. 2005, Gedeon et al. 2014).
Zugweg und Überwinterungsgebiet
Die in Deutschland brütenden Zwergseeschwalben sind Zugvögel mit Überwinterungsgebieten im westlichen Afrika. Der Abzug aus dem Wattenmeer erfolgt ab Mitte Juni. Ringfunde deuten darauf hin, dass die Route wohl fast ausschließlich entlang der europäischen Festlandsküste führt, nur gelegentlich auch das Binnenland überflogen wird. In Deutschland beringte Vögel wurden in den Wintermonaten in Guinea-Bissau und im Senegal abgelesen. Die Rückkehr in die deutschen Brutgebiete erfolgt ab Ende April (Südbeck et al. 2005, Bairlein et al. 2014).
Fortpflanzung/Biologie
Meist brüten Zwergseeschwalben erstmals im Alter von 2-3 Jahren, selten bereits nach einem Jahr. Es werden monogame Saisonehen eingegangen, Partnertreue kommt aufgrund starker Brutortstreue vor. Ortswechsel kommen vor allem nach Gelegeverlusten vor, u.a. bei Überflutungen kommt es auch zum Umzug ganzer Kolonien. Die Bodenbrüter nutzen als Nest eine flache Mulde, die ohne oder mit nur wenig Auskleidung auf kahlem Untergrund angelegt wird. Oft finden sich diese zwischen locker stehenden Vegetationsbüscheln, reine Sandflächen werden gemieden. Der Nestbau erfolgt durch das Weibchen allein oder auch durch beide Partner. Es handelt sich um Koloniebrüter, die häufig auch mit Fluss- oder Küstenseeschwalben bzw. See- oder Sandregenpfeifern vergesellschaftet sind. In der Regel wird eine Jahresbrut durchgeführt, bei der die 2-3 Eier ab Anfang Mai bis Ende Juni gelegt und durch beide Partner für 20-22 Tage bebrütet werden. Die Jungvögel werden häufig vom Nest weggeführt und von beiden Altvögeln versorgt. Mit 28 Tagen werden die Jungen flügge, werden aber noch bis zum Abzug gefüttert (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012).
Gefährdung
Störungen durch Freizeitaktivitäten und Tourismus sowie Weidevieh, Hunde und Flugzeuge verhindern mitunter die Ansiedlung oder führen zur Aufgabe von Brutplätzen. Auch die Nahrungssuche kann dadurch behindert werden. Küstenschutzmaßnamen können aufgrund veränderter Sedimentations- und Überflutungsbedingungen die Bildung geeigneter Primärhabitate verhindern. Im Binnenland kann die Begradigung und Verbauung von Fließgewässern zur Zerstörung von Flussschotterbänken führen. Gewässerverschmutzung durch Umweltgifte oder Öl kann aufgrund verschlechterter Nahrungsbedingungen den Bruterfolg reduzieren und zu direkten Verlusten führen. Prädation und Überflutungen führen zu zusätzlichen Verlusten (Bauer et al. 2012). Beeinträchtigungen durch Windenergieanlagen sind bekannt (Langgemach & Dürr 2023). Die Zwergseeschwalbe wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.
Schutz
Um Störungen an den Brutplätzen zu vermeiden, sind Besucherlenkung durch Umzäunung und Sperrzonen, Öffentlichkeitsarbeit und Information nötig. Hochwassersichere Dünen sollten gefördert werden und Kolonien durch Schutzgräben oder -zäune vor Prädation geschützt werden. Primärlebensräume sollten nicht durch Küstenschutzmaßnahmen zerstört werden. Im Binnenland stellt die Unterschutzstellung und Wiederherstellung natürlicher Flussläufe mit Kies- und Schotterbänken eine Maßnahme dar. Zur Verbesserung der Nahrungssituation sollte die Gewässerverschmutzung und der Eintrag von Nährstoffen und Bioziden reduziert werden (Bauer et al. 2012).