Thalasseus sandvicensis - Brandseeschwalbe
Beschreibung
Bei der Brandseeschwalbe handelt es sich um eine vergleichsweise große, aber schlanke Seeschwalbe. Die Flügelspannweite beträgt 85-97 cm. Ihr langer schwarzer Schnabel mit gelber Spitze ist charakteristisch. Typisches Verhalten ist der Suchflug mit nach unten weisendem Schnabel und kräftigen Flügelschlägen. Brandseeschwalben zeigen bei der Nahrungssuche häufig Stoßtauchen. Auffällig ist der oft vorgetragene, krächzende Ruf (Svensson 2023).
Die früher als Unterart behandelte amerikanische Form wird heute als separate Art Cayenneseeschwalbe (Thalasseus acuflavidus) betrachtet (Gill et al. 2024).
Verbreitung
Brandseeschwalben brüten vor allem in den Küstenregionen des nördlichen Mittel- und Westeuropas von der französischen Atlantikküste über die Küsten Irlands und Großbritanniens, der Nord- sowie in geringerer Zahl auch der Ostsee. Verstreute Vorkommen liegen zudem im Mittelmeerraum, am Schwarzen sowie Kaspischen Meer (Mendel et al. 2008, Gedeon et al. 2014).
In Deutschland beschränken sich die Brutkolonien ausschließlich auf Schutzgebiete an den Küsten der Nord- und Ostsee. Der größte Teil konzentriert sich dabei auf das Wattenmeer, mit der bundesweit größten Kolonie auf der Hallig Norderoog, wo Brandseeschwalben in vierstelliger Zahl brüten. Weitere Kolonien befinden sich auf Baltrum, der Minsener Oog und Neuwerk. Hinzu kommen nicht alljährlich besetzte Brutplätze, u.a. auf Mellum, Juist und Scharhörn. Der weitaus kleinere Bestand an der deutschen Ostseeküste konzentriert sich auf die Kolonien auf der Barther Oie und auf der Insel Kirr im Barther Bodden. Weitere jahrweise Ansiedlungen sowie sporadische Einzelbruten sind bekannt. Allgemein kommt es in Abhängigkeit von Nahrungsangebot und Störungsintensität häufig zu Brutplatzwechseln (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008, Gedeon et al. 2014).
Lebensraum
Brutgebiet
Die Brutgebiete an der deutschen Nordsee beschränken sich auf Inseln und Halligen, während entlang der Ostseeküste vereinzelt auch Nehrungshaken besiedelt werden. Als Brutplätze dienen Primärdünengebiete, Strandwälle und lückig und kurz gewachsene Salzwiesen. Zum Schutz vor Prädation brüten Brandseeschwalben fast immer in gemischten Kolonien mit Lachmöwen und/oder Fluss- sowie Küstenseeschwalben.
Brandseeschwalben nutzen zur Nahrungssuche vor allem Bereiche bis 20 m Wassertiefe auf. Die Nahrungsgebiete können bis zu 50 km von den Brutplätzen entfernt sein (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008, Gedeon et al. 2014).
Zugweg und Überwinterungsgebiet
Brandseeschwalben sind Langstreckenzieher, die den Winter im Ostatlantik sowie in kleinerer Zahl im Mittelmeer verbringen. Der Abzug aus den deutschen Brutkolonien erfolgt bereits ab Ende Juni. Dabei handelt es sich jedoch vorerst um einen Zwischenzug, der sogar in nördlicher Richtung erfolgen kann. Der eigentliche Wegzug beginnt im August/September und führt entlang der Atlantikküste. Während ein- bis dreijährige Brandseeschwalben vorwiegend an der nordwestafrikanischen Küste verbleiben, ziehen die Altvögel noch weiter nach Süden. Der Heimzug beginnt im Februar und ab April kehren die Vögel in die deutschen Brutkolonien zurück. Einjährige Brandseeschwalben verbleiben jedoch meist in den Winterquartieren, während die zweijährigen Individuen erst verspätet im Juni in Deutschland eintreffen (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008, Bauer et al. 2012).
Fortpflanzung/Biologie
Die erste Brut erfolgt bei Brandseeschwalben meist mit drei Jahren, teils erst mit vier Jahren. Es werden monogame Saisonehen eingegangen, Umverpaarungen sind jedoch nachgewiesen. Die Bodenbrüter legen auf meist unbewachsenem Untergrund eine Mulde an, in die Ende April bis Mitte Juni 1-2 Eier gelegt werden. Es wird eine Jahresbrut durchgeführt, Nachgelege sind jedoch bei Standortwechseln der Kolonien möglich. Die Brutdauer beträgt 22-26 Tage. Anfangs brütet nur das Weibchen, später beide Eltern. Je nach Störungen verlassen die Küken das Nest in unterschiedlichem Alter, oft bereits ab dem 3.-4. Tag, und werden anschließend von beiden Altvögeln betreut. Die Jungvögel sind nach 25-35 Tagen flügge, bleiben jedoch bis zum Abzug von den Eltern abhängig (Südbeck et al. 2005, Mendel et al. 2008).
Gefährdung
Lebensraumveränderungen, z.B. durch Küstenschutzmaßnahmen, können das Angebot geeigneter Koloniestandorte verringern. Auch Überbauung und Störungen können zur Aufgabe von Koloniestandorten führen. Natürliche Einflüsse wie Sukzession, Winderosion, Sturmfluten und Prädation stellen ebenfalls Gefährdungen für ganze Kolonien dar. Da Brandseeschwalben Brutkolonien mit häufig sehr nah beieinander liegenden Nestern bilden, können Krankheitsausbrüche wie durch die hochpathogene aviäre Influenza (HPAI) durch schnelle Ansteckung zu hohen Verlusten führen (Packmor et al. 2022). Überfischung kann zu Nahrungsmangel führen, während Belastungen mit Bioziden und Öl zu stark reduziertem Bruterfolg und direkten Verlusten führen können. Technische Bauwerke, z.B. Offshore-Windenergieanlagen, können ein Risiko darstellen. Neben dem Kollisionsrisiko kann auch Irritation durch Scheuchwirkung und Beleuchtung eine Rolle spielen (Mendel et al. 2008, Bauer et al. 2012). Die Brandseeschwalbe wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.
Schutz
Sowohl bestehende als auch potenzielle Brutplätze der Brandseeschwalbe sollten geschützt werden. Die Förderung kurzer Vegetation, z.B. durch extensive Beweidung, und der Schutz vor Prädation können sich positiv auswirken. Um nahrungsreiche Küstengewässer zu erhalten, ist der Eintrag von Nährstoffen und Bioziden zu minimieren. Störungen der Kolonien, insbesondere in der frühen Ansiedlungsphase, müssen durch Besucherlenkung und Information der Öffentlichkeit minimiert werden (Bauer et al. 2012).