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Bundesamt für Naturschutz

Rote Liste: Für Raubfliegen-Arten feucht-kühler Lebensräume wird es schwerer

Gemeinsame Pressemitteilung mit dem Rote-Liste-Zentrum
Presse
Rote Listen Tiere, Pflanzen und Pilze
03.12.2025
Bonn
Fast die Hälfte aller Raubfliegenarten Deutschlands, nämlich 40 von 83 in Deutschland etablierten Arten, sind bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben. Das zeigt die neue Rote Liste der Raubfliegen, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Rote-Liste-Zentrum (RLZ) jetzt veröffentlicht haben. Am stärksten gefährdet ist die Große Makelfliege (Cyrtopogon ruficornis), die nun als „Vom Aussterben bedroht“ eingestuft ist. Sie lebt in halbschattigen Bergwäldern – ein Lebensraum, der durch den Klimawandel immer weiter zurückgeht. Damit steht die Große Makelfliege stellvertretend für viele Arten, die auf kühle, strukturreiche Lebensräume angewiesen sind.
Nahaufnahme einer schwarzen Raubfliege mit orangen Beinen, die auf einem grünen Halmen sitzt und eine kleinere Beute hält.
Die Gefleckte Habichtsfliege (Dioctria longicornis)

Raubfliegen sind eine in der Öffentlichkeit wenig bekannte, aber ökologisch bedeutsame Insektengruppe. Ähnlich den Libellen jagen sie andere Fluginsekten. Auch die Larven einiger Arten ernähren sich räuberisch. Zur Beute der holzbewohnenden Raubfliegenlarven gehören beispielsweise Borkenkäfer. Gegenüber Menschen verhalten sie sich friedlich.

In der Roten Liste werden alle Raubfliegenarten, die in Deutschland etabliert sind, bewertet. 4 Arten sind ausgestorben oder verschollen (Rote-Liste-Kategorie 0), 36 Arten gelten als bestandsgefährdet (Rote-Liste-Kategorien 1, 2, 3, G), darunter eine Art, die vom Aussterben bedroht ist, 24 stark gefährdete und 10 gefährdete Arten. Für eine Art kann das Ausmaß ihrer Gefährdung nicht exakt angegeben werden. 7 weitere Arten sind "Extrem selten", 3 stehen auf der "Vorwarnliste". Lediglich 32 Arten (38,6 %) gelten aktuell als ungefährdet. Zu einer Art reichen die Daten für eine Gefährdungsanalyse noch nicht aus.  

Im Vergleich zur Vorgängerliste von 2011 gab es bei einem großen Teil der Arten eine Änderung der Rote-Liste-Kategorie (43,4 %). Ein Teil dieser Änderungen ist das Ergebnis einer verbesserten Datengrundlage, zu der auch Citizen-Science-Plattformen wie zum Beispiel „Observation.org“, „iNaturalist.org“ oder „insekten-sachsen.de“ beigetragen haben. Auf ihnen haben zahlreiche naturinteressierte Bürger*innen Fotonachweise übermittelt und so die Arbeit der Fachleute unterstützt.

„Über die Hauptursachen der Rückgänge gibt es keine Zweifel“, sagt Sabine Riewenherm, Präsidentin des BfN: „Die neue Rote Liste zeigt deutlich, dass der Rückgang der kleinräumigen Strukturvielfalt in der Landschaft gravierende negative Folgen für die Raubfliegen hat. Gleichzeitig eröffnen sich aber auch Chancen. So finden manche Raubfliegenarten mit einer Vorliebe für spärlich bewachsene Flächen in ehemaligen Tagebaugebieten neue Lebensräume.“ 

Die Ausbreitung einiger wärmeliebender Arten wie der Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata) und der Klöppel-Schlankfliege (Leptogaster subtilis) trägt zu den positiven Änderungen von Rote-Liste-Kategorien bei. Der Klimawandel dürfte aus Sicht der Rote-Liste-Expert*innen auch bei den gestiegenen Nachweiszahlen einer der bekanntesten deutschen Raubfliegenarten, der Hornissen-Raubfliege (Asilus crabroniformis), eine Rolle spielen: Die Art wird nun als „Gefährdet“ eingestuft und nicht mehr, wie in der Vorgängerliste, als „Stark gefährdet“. 

Trotz solcher Einzelbeispiele bleibt die Gesamtsituation kritisch. Mehr als die Hälfte der Arten (56,6 %) sind entweder bereits ausgestorben oder verschollen, bestandsgefährdet oder extrem selten. Neu in der Kategorie der in Deutschland ausgestorbenen Arten sind jetzt auch die Steppen-Raubfliege (Cerdistus graminicola) und die Bronze-Mordfliege (Pogonosoma minor). Wie die Südliche Raubfliege (Antiphrisson trifarius) und der Große Sandwicht (Stichopogon albofasciatus), deren Verlust schon bekannt war, konnten die Arten nicht mehr nachgewiesen werden. Besondere Verantwortung trägt Deutschland für die Kleine Rabaukenfliege (Holopogon dimidiatus). Diese Raubfliegenart kommt hauptsächlich in Osteuropa und Westasien vor. Die wenigen Populationen in Deutschland sind hochgradig isoliert von anderen Populationen und daher besonders schutzbedürftig.

Um die in Deutschland vorkommenden Raubfliegen besser zu schützen, identifizierten die Autoren wichtige Schutzmaßnahmen: Zum einen sollten Schutzgebiete mit offener Vegetation wie Sandmagerrasen und Heiden vergrößert und besser vernetzt werden. Diese Lebensstätten und Reproduktionshabitate sind durch eine gut angepasste Nutzung oder Pflege zu erhalten. Bei der Bewirtschaftung von Grünland sollten arten- und blütenreiche Vegetationstypen gegenüber den auf Massenertrag ausgerichteten Grasbeständen stärker gefördert werden. Lichtreiche Waldbestände mit Totholz sind ebenfalls zu erhalten.

Danny Wolff, Hauptautor der Roten Liste, weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: „Viele der anspruchsvolleren Raubfliegen sind sogenannte Biotopkomplexbewohner. Sie benötigen für die Eiablage, die Larvalentwicklung und den Nahrungserwerb oftmals ein Mosaik unterschiedlicher Lebensräume. Leidet die Qualität eines einzelnen Teilhabitats, kann sich daraus schon eine lokale Gefährdung ergeben.“ 

Hintergrund

Die Roten Listen der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands

Die bundesweiten Roten Listen werden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) herausgegeben und in dessen Auftrag vom Rote-Liste-Zentrum koordiniert. Erstellt wurde die Rote Liste der Raubfliegen von erfahrenen Expert*innen der Entomologie (Insektenforschung) und des wissenschaftlichen Artenschutzes unter Federführung des Raubfliegenspezialisten Danny Wolff. Er hat bereits die vorherige Rote Liste der Raubfliegen verfasst.

In den bundesweiten Roten Listen wird die Gefährdungssituation von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten für den Bezugsraum Deutschland dargestellt. Die Roten Listen sind zugleich Inventarlisten für einzelne Artengruppen und bieten Informationen nicht nur zu den gefährdeten, sondern zu allen in Deutschland vorkommenden Arten der untersuchten Organismengruppen. Die Autorinnen und Autoren bewerten die Gefährdungssituation insbesondere anhand der Bestandssituation und der Bestandsentwicklung. Die Grundlagen für die Gefährdungsanalysen werden von einer großen Zahl von ehrenamtlichen Artenkennerinnen und Artenkennern ermittelt. Die Roten Listen selbst werden von den Autorinnen und Autoren ebenfalls in weiten Teilen ehrenamtlich erstellt.

Rote Listen stellen eine entscheidende Grundlage für den Schutz der Artenvielfalt in Deutschland dar. Sie dokumentieren den Zustand von Arten und mittelbar die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur. Damit sind sie Frühwarnsysteme für die Entwicklung der biologischen Vielfalt.

Das Rote-Liste-Zentrum  

Das Rote-Liste-Zentrum koordiniert seit Dezember 2018 im Auftrag des BfN die Erstellung der bundesweiten Roten Listen. Das Bundesumweltministerium fördert das Zentrum mit jährlich 3,1 Millionen Euro. Es ist am Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn angesiedelt und wird fachlich vom BfN betreut. Das Rote-Liste-Zentrum unterstützt die Autorinnen und Autoren sowie weitere beteiligte Fachleute der Roten Listen, indem es sie bei der Erstellung fachwissenschaftlich begleitet und Kosten für die Koordination, die Arbeitstreffen der Fachleute und andere vorbereitende Arbeiten übernimmt.

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Kontakt im BfN

Bundesamt für Naturschutz
Referat Strategische Planung und Kommunikation
0228 8491-4444
Konstantinstraße 110, 53179 Bonn
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